Das perfekte Chaos und seine Konsequenzen

Kölner Bezirksregierung will Entscheidungsprozesse aufarbeiten - "Da haben die Kollegen die Dimension verkannt"

Rhein-Sieg-Kreis. Das Chaos ist beseitigt, Fragen bleiben. Die Autofahrer, die in der Nacht zu Dienstag im Schneetreiben auf der Autobahn 3 gefangen waren, fühlten sich allein gelassen. Frustriert und frierend harrten sie aus in ihren Autos und Lastwagen auf dem Schlafplatz Autobahn, weil nichts mehr ging.

Eine unliebsame und höchst ärgerliche Erinnerung an eine Autofahrt, die irgendwo im Abschnitt zwischen Lohmar und Ausfahrt Siebengebirge endete. Noch einen Tag nach den chaotischen Zuständen und einer unfreiwilligen eisigen Nacht auf der Straße kocht des Autofahrers Seele ob des unzureichenden Krisenmanagements, wofür vor allem die Autobahnpolizei und die Bezirksregierung Köln verantwortlich gemacht werden (der General-Anzeiger berichtete).

Mangelnde Versorgung und zu wenig Hilfskräfte, kaum Informationen monierten die Autofahrer, die am Mittwochvormittag bisweilen immer noch wütend im Lokalradio ihre A 3-Geschichte erzählten. Zu allem Übel war auch der Verkehrsfunk offensichtlich unzureichend informiert.

Dass gar nichts mehr ging, und die Autobahn komplett gesperrt war, lief laut Radio Bonn/Rhein-Sieg erst am Mittwochmorgen um 7.37 Uhr in den Verkehrsrechner in Oberhausen ein - mithin elf Stunden später, nachdem klar war, dass es niemand mehr über den Bockerother Berg schaffen konnte.

Stephan Becker, Polizeioberrat bei der Bezirksregierung, widerspricht indes der Darstellung: "Wir haben alle Protokolle noch einmal durchgesehen. Es ist nicht zu spät gemeldet worden." Die erste Meldung über den Stau sei um 20.15 abgesetzt worden. "Und ab da haben wir die ganze Nacht gemeldet."

Um 20.57 Uhr hätten die Beamten bereits eine Umleitungsempfehlung gegeben. "Dass die A 3 gesperrt war, haben wir um 22.05 gemeldet." Der Dienststellenleiter habe mit den Sendern in regelmäßigen Abständen telefoniert und sie auf dem Laufenden gehalten.

Dennoch fuhren viele Autofahrer in die Schneefalle. "Die Autobahnpolizei hat die A 3 einfach vollaufen lassen. Die hätten viel früher absperren müssen", meint ein Polizist. Warum anders entschieden wurde, erklärte Becker. "Eine Sperrung ist immer das allerletzte Mittel. Es hat ja zwischendurch noch Verkehrsabflüsse gegeben." Mit Unterstützung der Kreispolizeibehörde habe die Autobahnpolizei die Zufahrten dichtgemacht.

Ein großes Problem seien die dicken Eisplatten auf der Fahrbahn und verantwortungslose Autofahrer gewesen, die immer wieder die Gasse für die Streufahrzeuge zugefahren hätten. Und auf der Gegenrichtung sei die gleiche Situation gewesen. "Da hätten wir nicht ableiten können. Auch ein Wenden wäre keine Hilfe gewesen. Wir kriegen die Leute wegen der Eisplatten ja nicht von der Straße."

Die Entscheidungsprozesse wolle man nun zügig aufarbeiten und laut Becker daraus Lehren ziehen. Dass die Lage insgesamt nicht richtig eingeschätzt wurde, räumte er ein. "Da haben die Kollegen die Dimension verkannt." Die Hilfsdienste wie DRK, Malteser und Johanniter hätten zum frühen Zeitpunkt in Marsch gesetzt werden müssen, um die festsitzenden Autofahrer mit heißem Tee und Decken zu versorgen.

"Das THW, der um 22.30 losgeschickt wurde, hatte allerdings auch den Auftrag, Decken und Tee zu reichen", sagte Becker. In dieser Nacht mit 20 Kilometer Stau waren die 31 unermüdlichen THW-Leute damit restlos überfordert.

Text: Michael Lehnberg 
Quelle: General Anzeiger


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