Auto- und Lkwfahrer im Siebengebirge müssen bis zum Morgengrauen in der Kälte ausharren - Eingeschlossene bleiben unversorgt - Bezirksregierung räumt Fehler ein - THW schleppt unzählige Laster frei
Siebengebirge. Der Winter nahm eine ganze Nacht lang das Siebengebirge in seinen eisigen Griff und die Autofahrer auf der A 3 hatten keine Chance zu entrinnen. 29 Männer und Frauen des Technischen Hilfswerks (THW) leisteten bis Dienstagmorgen ihr Möglichstes, um Fahrzeuge und Menschen auf der A 3 aus der Kältefalle zu befreien - oft mit dem frustrierenden Ergebnis, dass ein Laster, den sie gerade freigeschleppt hatten, "uns an der nächsten Steigung wieder begegnete", schildert der Zugführer des Technischen Hilfswerks Bad Honnef, Michael Prinz.
Die Nacht wurde für Prinz, seine Kollegen und die Mitarbeiter von Autobahnpolizei und Autobahnmeisterei zum Tag. Die THW-Leute haben auf der A 3 an die 80 Lastwagen freigeschleppt - wie viele es genau gewesen sind, die sie zwischen dem Autobahndreieck Bonn-Siegburg und der Anschlussstelle Siebengebirge wieder ins Rollen gebracht haben, weiß der Zugführer nicht.
Schwere Sattelschlepper standen quer, skurril gekrümmt, von Schnee und Eis lahm gelegt. Neben und hinter den Laster stauten sich, nun ebenfalls blockiert, bis Dienstagmorgen unzählige weitere Laster und Autos.
Die mit Schneeketten ausgerüsteten schweren Gerätewagen des THW schleppten einen nach dem anderen aus seiner Notlage raus, schoben Autos an. "Das Hauptproblem ist die mangelhafte Bereifung vieler Laster. Im besten Fall verfügen sie über Ganzjahresreifen. Diejenigen, die mit Sommerreifen unterwegs sind, bleiben bei viel Schnee natürlich am ersten Hang hängen", so Stefan Wallbröhl, Ortsbeauftragter des Honnefer THW.
Zum Glück hatte das THW am Montagabend "Gewehr bei Fuß" gestanden: Prinz hatte in Vorahnung der Ereignisse Schneeketten auf die drei Honnefer Gerätekraftwagen aufziehen lassen. Außerdem schickte das THW Honnef seinen Drei-Achser in den Einsatz, von Norden flankiert vom Siegburger THW mit zwei Wagen.
Die Chaosnacht hatte sich nach dem gegen 19 Uhr einsetzenden heftigen Schneefall abgezeichnet. Bis 20 Uhr hatte sich die Schneedecke in eine etwa fünf Zentimeter dicke Eisschicht verwandelt. Die Autobahnpolizei schlug aber erst um 22.30 Uhr beim THW Alarm: Nichts ging mehr auf der A 3.
Selbst die Räum- und Streufahrzeuge kamen nicht mehr durch. "Am Bockerother Berg bis Ittenbach hatten wir die größten Probleme", berichtet Alexander Opladen, Chef der Autobahmeisterei Sankt Augustin. Der heftige, konzentrierte Schneefall und querstehende Laster machten ein Durchkommen unmöglich.
Schließlich sperrte die Polizei die Autobahn und schleuste die Räumfahrzeuge, Geisterfahrern gleich, entgegen der Fahrtrichtung in den Stau. Die Beamten versuchten, den Schneepflügen eine Gasse zu bahnen, aber auch das glückte nicht immer. 14 Mitarbeiter der Autobahnmeisterei waren mit fünf Fahrzeugen die ganze Nacht im Einsatz, kämpften sich langsam vor und schafften die Schneemassen mühsam fort.
Doch erst bei Tagesanbruch, so Opladen, hatten sie alles so weit fortgeräumt, dass gegen 8 Uhr in Fahrtrichtung Köln und gegen 10.30 in Richtung Frankfurt der Verkehr wieder floss. Weder für die eingeschlossenen Autofahrer noch für die Helfer gab es derweil Stärkungen. Decken, Tee oder Betreuung - Fehlanzeige. "Uns hat niemand angefordert", bedauert Frank Malotki, Leiter Rettungsdienst und Katastrophen beim DRK-Kreisverband.
Dabei seien seine Leute gut für solche Fälle vorbereitet. "Wir hätten Decken und warme Getränke verteilt." "Wir können Hilfskräfte nur rausschicken, wenn die Bezirksregierung sie anfordert", erwidert Thomas Wagner, Pressesprecher des Kreises. Diese Anforderung sei allerdings nur für das THW erfolgt, und das sei nicht für die Versorgung von Menschen zuständig.
"Die Bezirksregierung hat die Lage falsch eingeschätzt", so Wagner. Als der Kreis am Dienstag gegen 9 Uhr seine Hilfe angeboten habe, sei das von der Bezirksregierung abgelehnt worden. Die hat in ihrer Nachbesprechung der Eis-Nacht erkannt, dass künftig in ähnlichen Situationen "rechtzeitig auf andere Hilfe zurückgegriffen werden muss", sagte Sprecherin Ursula Moritz am Dienstag.
Nach fünf bis sechs Stunden Stillstand im Stau hatten sich einige Lastwagenfahrer in ihre Kojen gelegt - als sie beim Freischleppen an die Reihe kamen, mussten die THW-Leute sie erstmal wecken. Manche Autofahrer hatten Glück und bis Ittenbach nicht allzuweit zu laufen: Einige ließen ihr Auto im Schnee stehen und übernachteten im Ort. Die Feuerwehr Königswinter wurde nicht zur A 3 gerufen: Sie hatte es in Herresbach "nur" mit einem quer über die Landstraße 268 gestürzten Baum zu tun. Ein Auto wurde beschädigt, der Fahrer kam mit dem Schrecken davon.
Text: Uta Effern-Salhoub und Nadine Otto
Fotos: Holger Arndt
Quelle: General Anzeiger